Objektiv mit Autofokus-Schalter

Autofokus vs. manuellem Fokussieren

Hokus Pokus Autofokus… lange Zeit war die Autofokusfunktion an Fotokameras verschrien. Nicht schnell genug, unzuverlässig, laut – die Gründe für die Abneigung gegen das System waren und sind noch immer vielfältig. Wer Wert auf seine Fotos legt, fokussiert manuell – das war lange der Tenor. Doch in den letzten Jahren haben die Autofokussysteme mächtig zugelegt. Wo liegen nun die Stärken und Schwächen der Fokussysteme und welches eignet sich für welche Zwecke?

Manueller Fokus

Der manuelle Fokus ist die älteste Form des Fokussierens. Es gibt ihn bereits seit der Erfindung der Kamera und war bis in die 1970er Jahre die einzige Möglichkeit, um mit der Kamera auf einen gewünschten Entfernungsbereich scharfzustellen. Die meisten Objektive verfügen über einen Fokusring, an dem der Fokus manuell bestimmt werden kann. Dieses Prinzip hat sich über die Jahrzehnte hinweg durchgesetzt und ist noch immer nicht aus der Fotografie wegzudenken. Durch das manuelle Anpassen des Fokus behält der Fotograf viel Macht über sein Bild. Geübte Fotografen können sowohl in kürzester Zeit als auch äußerst präzise fokussieren und das bis auf das kleinste Details. Doch für Amateur-Fotografen und Anfänger stellt der manuelle Fokus zumeist eine riesige Herausforderung dar.

Autofokus

Der Autofokus ist also besonders bei Einsteigern und Hobby-Fotografen beliebt. Wie bereits erwähnt sind die Autofokussysteme der aktuellen Kameramodelle sehr schnell und sehr präzise und kaum vergleichbar mit den ersten Systemen der 70er Jahre. Im November 1977 kam die Konica C35 AF als erste Kamera mit Autofokus auf den Markt. Schnell zogen alle anderen Hersteller nach, so dass der Autofokus mittlerweile ein fest integrierter Bestandteil.

Dabei gibt es sowohl aktive als auch passive Autofokussysteme. Zu den passiven Techniken gehören die Kantenkontrastmessung und der Phasenvergleich. Bei der Kantenkontrastmessung wird die Schärfenebene so lange variiert bis das Programm davon ausgeht, die optimale Ebene gefunden zu haben. Der Phasenvergleich geschieht mit zwei bis vier Fokussensoren innerhalb der Kamera, auf denen die Teilbilder des Motivs projiziert werden. Jeder Sensor bildet das Motiv selbstständig ab und wenn bei allen das Bild identisch ist, stimmt der Fokus. Zu den aktiven Fokussystemen gehören die Ultraschall-, die Lichtstrahl oder die Lasermessung, bei der mit Tonfrequenzen oder Lichtstrahlen die Entfernung zum Objekt ermittelt wird. Einige Hersteller wie Sony statten ihre Kameras mit einem kombinierten System aus Phasenvergleich und Kantenkontrastmessung aus – dem Hybrid-Autofokus.

Moderne Kameras verfügen mittlerweile über mehrere Autofokusmodi. So finden sich auf dem Modusrädchen oft kryptische Bezeichnungen wie AF.S, AF.C oder AF.A. Der single autofocus (AF.S) stellt auf ein Motiv scharf und behält die Schärfenebene bei. Der autofocus continuos (AF.C) hingegen passt die Schärfeebene dem anvisierten Objekt an, auch wenn dieses in Bewegung ist. Der automatic autofocus (AF.A) entscheidet selbstständig, welcher Modus sich von Fall zu Fall eignet.

Schwächen und Stärken von Auto- und manuellem Fokus

Auch nach jahrzehntelanger Forschung ist es sogar bei den modernsten Autofokussystemen nicht auszuschließen, dass die Fokussierung ungenau ist. Eine gewisse Willkür bleibt immer vorhanden, auch wenn die Trefferquote der neusten Techniken ausgesprochen hoch ist. Beim manuellen Fokussieren ist es dem Fotografen selbst überlassen, die gewünschte Schärfeebene einzustellen. Das ist nicht immer einfach. Besonders bei offener Blende und hohen Brennweiten, wenn die Schärfenebene nur sehr gering ist, braucht man schon ein sehr gutes Auge und eine ruhige Hand, um den Fokus richtig zu setzen. Eine Fokuslupe auf dem Display, die auf das scharfzustellende Objekt zoomt, ist dann schon eine große Hilfe. Geübte und erfahrene Fotografen sind handwerklich so geschickt, dass sie den Fokus manuell auch in Sekundenschnelle akkurat setzen können.
Aber auch die Geschwindigkeit der Autofokussysteme hat rapide zugenommen über die Jahre. Für Einsatzbereiche, in denen zwischen den Fotos nicht viel Zeit bleibt und Ausschuss verkraftet werden kann, ist der Autofokus nicht mehr wegzudenken. Bei der Portraitfotografie, bei der es bei einer geringen Schärfentiefe auf die exakte Fokussierung ankommt, überlässt der Fotograf meistens nichts dem Zufall und fokussiert manuell. In der Sport- oder der Eventfotografie hingegen schießt der Fotograf oft hunderte Fotos innerhalb kürzester Zeit. Viel Zeit, um noch vor jedem Foto den Fokus manuell zu setzen, bleibt nicht. Allerdings nimmt die Geschwindigkeit mit zunehmender Dunkelheit rapide ab, da die Kontraste immer undeutlicher für die Kamera werden. Die passiven Fokussysteme haben bei Dunkelheit ihre Schwächen. Die aktiven Systeme wie das Fokussieren mit Hilfslicht garantieren auch in der Dunkelheit eine optimale Scharfstellung.
Viele Zwecke, für die weder der willkürliche Autofokus noch der aufwendige manuelle Fokus ausreichen, verlangen einen besonderen Trick – der manuelle Zonenfokus. Bei der Streetfotografie oder der Tierfotografie wird häufig mit offener Blende oder mit großen Brennweiten gearbeitet, so dass die Schärfeebene gering ist. Da die gewünschte Objekte (Menschen, Tiere) in der Regel in Bewegung sind, ist die Verfolgung des Motivs zum Scharfstellen schwierig – besonders dann, wenn das Blickfeld teilweise verdeckt ist. Weder der Autofokus noch der manuelle Fokus können auf schnelle Bewegungen bei einem inkonstanten Bildausschnitt angemessen reagieren. Hier wenden Fotografen einen Kniff an, indem sie im Voraus ein eine Fokuszone festlegen. Eine Ebene im Bild, durch die sich Mensch oder Tier höchstwahrscheinlich bewegt, wird manuell scharfgestellt. Je nach Blende und Brennweite kann diese Ebene sehr gering sein. Wenn sich das Objekt innerhalb dieser Zone befindet, wird ausgelöst.

Ganz gleich, ob manueller oder Autofokus – mit einigen Hilfsmitteln gelingt die Fokussierung in jedem Fall besser. Die Fokuslupe im Live-View auf dem Display ist zum Beispiel eine große Hilfe zur Kontrolle des scharfgestellten Bereichs. Wenn Augen oder andere kleine Details fokussiert werden sollen, kann eine Fehlfokussierung schon einmal nicht auffallen. Mit der Lupe kann die Genauigkeit überprüft werden.
Zudem gibt es bei einigen Kameras die Funktion des Focus Peakings. Hier werden die scharfgestellten Konturen farblich hervorgehoben, so dass die Schärfeebene immer im Blick bleibt.
Wer bei einem bestimmten Einsatzzweck nicht viel Zeit zum Fokussieren hat, ist zudem gut damit beraten, die Serienbildfunktion der Kamera zu nutzen. So können beim Nutzen des Autofokus falsch scharfgestellte Aufnahmen durch viele andere richtig fokussierte Aufnahmen kompensiert werden. Beim manuellen Fokus ist die Schärfe manchmal richtig gesetzt, doch das sich bewegende Objekt lässt nur wenig Zeit für ein gutes Foto. Auch hier kann eine Serie an Fotos helfen, wenn zum Beispiel der Gesichtsausdruck eines Menschen nicht bereits auf dem ersten Foto sitzt.

Ob manuell oder automatisch – mittlerweile greifen Profi-Fotografen zu beiden Systemen. Abhängig davon, welche Technik einem mehr liegt, liegen die Vorteile ganz individuell auf der Hand. Für spezielle Einsatzzwecke empfehlen sich jeweils das eine oder das andere System, doch schließlich können mit beiden gleich gute Fotos entstehen. Für das perfekte Foto gehört bekanntlich auch noch mehr dazu als die richtige Fokussierung. Dass das Motiv auf einigen Fotos doch unscharf ist, kommt aber auch bei den besten Fotografen vor.